Bei „eva - im Gespräch“ haben sich Stuttgarter Gemeinderätinnen und -räte, die zur Wiederwahl stehen, den Fragen von eva-Experten gestellt.
Fünf Tage vor der Wahl haben sechs Kandidatinnen und Kandidaten des Stuttgarter Gemeinderats mehr als nur Gesicht gezeigt. Im Großen Saal im Haus der Diakonie in der Büchsenstraße haben Doris Höh (FDP), Alexander Kotz (CDU), Jasmin Meergans (SPD), Petra Rühle (Bündnis 90/Die Grünen) Rose von Stein (Freie Wähler) und Johanna Tiarks (Die Linke) vor den Mitarbeitenden der eva Stellung bezogen zu sozialpolitischen Themen. Nicht in einem Schlagabtausch, wie man ihn aus Talk-Shows kennt, sondern im Austausch mit Expertinnen und Experten der eva. Migration war das Thema, das bei der zweistündigen Runde im Fokus stand. Dazu eingeladen waren Mitarbeitende der eva und ihrer Tochterunternehmen.
„Die Bibel ist voller Migrationsgeschichten und Hoffnungen, die damit verbunden sind“, sagte eva-Vorstand Klaus Käpplinger bei seinem Impuls zur Begrüßung. „Wir verstehen uns bei der eva nicht nur als Dienstleisterin für die Kommune, sondern auch als Gestalterin und haben Ideen, wie unsere Klienten mit Migrationsgeschichte besser und schneller in Arbeit kommen und integriert werden können.“
Die Warteschlange ist jetzt im digitalen Raum
Via Video kam ein Mathematiker aus dem Iran zu Wort, der eindrücklich geschildert hat, wie schwer es ihm in Stuttgart gemacht wird, zu arbeiten. „Die bürokratischen Hürden sind viel zu hoch, die Schlange vor der Ausländerbehörde ist nicht kürzer geworden, sondern hat sich in den digitalen Raum verlagert“, so Sascha de Lima Beul, Leiter des Internationalen Beratungszentrums bei der eva.
Dass CDU-Spitzenkandidat Kotz in diesem Zusammenhang die Idee der Arbeitspflicht für Asylbewerber verteidigte, kam bei den anderen KandidatInnen nicht gut an: „Das ist doch populistisch, eine Arbeitspflicht von Menschen einzufordern, die arbeiten wollen“, fand Petra Rühle (Grüne). Auch Jasmin Meergans von der SPD hält nichts von dieser Idee: „Die Verwaltung in Stuttgart ist doch jetzt schon überlastet, wer sollte sich da noch um eine neue Vorschrift kümmern?“
Auch zu den Themen Spracherwerb und Wohnen gab es jeweils kurze Videos, in denen eine Pflegeschülerin über mangelnde Unterstützung beim Deutschlernen berichtete und ein junger Mann erzählt hat, dass er rund 6000 Bewerbungsmails verschickt habe auf der Suche nach Wohnraum. Nach über sechs Jahren in einer Unterkunft für Geflüchtete habe seine Familie nun eine Wohnung gefunden. Diese muss die Familie aber verlassen, sobald jemand auszieht. Was der Fall sein wird, sobald sein Bruder ein Studium aufnimmt.
Wieviel Migration verträgt eine Gesellschaft?
Ulrike Mucke, Bereichsleiterin „Arbeit, Beschäftigung, Ausbildung“ bei der eva forderte eine differenzierte Beschulung für Berufschülerinnen- und schüler, die auf unterschiedlichen Sprachniveaus unterwegs sind. Johanna Tiarks (Die Linke), selbst als Lehrerin in der Pflege tätig, sieht hier auch die Träger in der Pflicht: Wer Pflegenachwuchs aus dem Ausland anwirbt, sollte diesen erst einmal ein halbes Jahr finanzieren, um anzukommen und Sprache und Kultur zu verstehen. Alexander Kotz (CDU) stellte die Frage, wieviel Migration eine Gesellschaft überhaupt vertrage. Jasmin Meergans hielt dagegen: „Wer Migration reduzieren möchte, setzt unseren Wohlstand aufs Spiel.“
Der Mangel an Wohnraum in Stuttgart führe zu einer Konkurrenz unter sozial Benachteiligten, stellte Axel Glühmann, Abteilungsleiter der Dienste für Armut, Wohnungsnot und Migration fest. „Daraus schöpft die AfD Profit“, warnte er.
Doris Höh (FDP) unterstrich die Notwendigkeit von sozialem Wohnungsbau und stellte gleichzeitig die Forderung auf, „Fehlbeleger“ zu sanktionieren, die zu Unrecht in einer sozial geförderten Wohnung lebten - so wie dies auch in den 1980er Jahren mit der Fehlbelegungsabgabe geschehen sei.
"Gehen Sie wählen!"
Moderiert wurde die Runde im vollbesetzten Saal von Martin Haar. So verschieden die Positionen, so pfleglich war der Umgang miteinander: Die bei „eva - im Gespräch“ anwesenden Kandidierenden für den Gemeinderat kennen sich untereinander gut, duzen sich teilweise. „Gehen Sie wählen am 9. Juni“ appellierte Klaus Käpplinger zum Abschluss an das Publikum „und fordern Sie dazu auch Menschen in Ihrem Umfeld auf.“