20 Jahre Online-Beratung – Seelsorger feiern Jubiläum
"Mir über eine Mail Hilfe zu suchen ist für mich ein großer Schritt. Ich weiß nicht, an wen ich mich wenden soll…“ So oder ähnlich beginnen seit zwanzig Jahren Mails an die Onlineberatung der TelefonSeelsorge Deutschland. Diese Online-Beratung hat die TelefonSeelsorge als erste Organisation im deutschsprachigen Raum angeboten. Das wird jetzt gefeiert: mit einem Jubiläumsfachtag für Mitarbeitende im süddeutschen Raum, der am 26. September in Stuttgart stattfindet, sowie mit einem zweiten Fachtag in Köln am 14. November. Dabei werden die ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Online-Beratung fortgebildet.
Online-Beratung bietet für manche Ratsuchenden Vorteile
Eine schriftliche Beratung durch die TelefonSeelsorge – das klingt zunächst paradox. Doch die Praxis zeigt, dass die Beratungsangebote über Telefon, Chat und Mail nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Die Online-Beratung bietet für manche Ratsuchenden Vorteile: Die Schwelle, etwas zu schreiben statt darüber zu reden, ist niedrig; Probleme können zu jeder Tages- und Nachtzeit übermittelt werden. Niederzuschreiben, welche Probleme man hat, hilft nicht selten, die eigene Situation besser zu verstehen. Dass alle, die Rat und Begleitung in seelischer Not suchen, anonym bleiben, ist so selbstverständlich wie bei einem Anruf.
Die Nachfrage in diesem Bereich ist hoch: Im Jahr 2014 haben 6.011 Ratsuchende in Deutschland 25.569 Mails an die TelefonSeelsorge geschickt. Männer und Frauen, die sich per Mail beraten lassen wollen, müssen vor einem ersten Mailverkehr 48 Stunden Wartezeit in Kauf nehmen.
Chatberatung ist geschützt, einmalig und zeitbegrenzt
In Stuttgart wird die Mailberatung seit zwölf Jahren von der Evangelischen TelefonSeelsorge angeboten. Auch hier kann das Angebot mit der Nachfrage nicht mithalten. „Wenn der Kontakt einmal hergestellt ist, beraten und begleiten wir die Ratsuchenden dann oft lange und intensiv“, berichtet Martina Rudolph-Zeller, die stellvertretende Leiterin der TelefonSeelsorge Stuttgart. Damit künftig mehr Ratsuchende unterstützt werden können, ist für das Jahr 2016 vorgesehen, mit der Katholischen TelefonSeelsorge in Stuttgart eine gemeinsame Ausbildungsgruppe zu beginnen.
Die Chatberatung, die es bundesweit seit über zehn Jahren, in Stuttgart seit neun Jahren gibt, läuft anders ab als die Beratung per Mail: Ratsuchende melden sich für ein bestimmtes Zeitfenster und bekommen dann einen Berater zugeteilt. Mit ihm unterhalten sie sich in dieser Zeit schriftlich: geschützt, einmalig und zeitbegrenzt. Die Rückmeldungen zeigen, dass die Ratsuchenden es als positiv erleben, dass es diesen festen Rahmen gibt und der Berater ihnen sofort antwortet. Dadurch kommt ihre Krise schnell und deutlich ans Licht. Häufige Themen sind Gewalt, Ängste und Selbstverletzung.
Suizidgedanken bei der Chatberatung häufig Thema
Gerade im Chat schreiben Ratsuchende auch offen darüber, dass sie gefährdet sind, sich selbst zu töten. 2014 kam dies bundesweit in jedem fünften Chat zur Sprache. Die Ratsuchenden fühlen sich hier sicher, mit dem Tabuthema nach außen zu gehen. Sie sind erleichtert, wenn sie ihre Suizid-Gedanken, die ihnen selbst Angst machen, jemandem mitteilen können. Die Telefonseelsorger und -seelsorgerinnen können dann klar ansprechen, wie konkret diese Gedanken sind – denn Suizid-Absichten zu haben heißt nicht zwangsläufig, wirklich sterben zu wollen. Die Ratsuchenden sind froh, mit den Seelsorgern zusammen einen Notfallplan zu erstellen. Damit wissen sie, wie sie sich künftig vor ihren eigenen Gedanken schützen können.
Martina Rudolph-Zeller erwartet, dass die Online-Beratung per Mail und Chat künftig stärker nachgefragt wird: Nicht nur junge, sondern auch ältere Menschen seien inzwischen häufiger online unterwegs. Sie ist überzeugt: „Wer in einer Krisensituation ist, nutzt die Medien, die er auch sonst verwendet.“