Neun Teilnehmende sind im Haus der Lebenschance mit dem Hauptschulabschluss verabschiedet worden
Das Haus der Lebenschance wird von der Evangelischen Gesellschaft (eva) und der Baden-Württembergischen Kommende des Johanniterordens getragen. Der Name ist Programm: Junge Menschen zwischen 17 und 27 Jahren, die andere schon aufgegeben haben, bekommen hier die Chance, doch noch einen Schulabschluss zu machen. Honorarkräfte unterrichten die Projektteilnehmenden in allen relevanten Fächern und bereiten sie auf die Abschlussprüfungen vor.
Doch im Haus der Lebenschance geht es um mehr als Mathe oder Deutsch. „Es geht auch darum, morgens pünktlich aufzustehen, für die eigenen Ziele einzustehen und sich durchzukämpfen“, so Süßenguth. Die Teilnehmenden lernen durch verschiedene Projekte, im Team zu arbeiten, Konflikte zu lösen und Verantwortung zu übernehmen.Von wie vielen Schulen Antonio (alle Namen geändert) zuvor geflogen war, hat er gar nicht mehr gezählt. Amala war mit Anfang 20 ohne Deutschkenntnisse nach Stuttgart gekommen. Rebecca hatte früh ein Kind bekommen und die Schule geschmissen. Noch vor zwei Jahren sah die berufliche Perspektive dieser drei düster aus. Jetzt haben sie – genau wie ihre sechs Mitschüler – im Haus der Lebenschance den Hauptschulabschluss geschafft. „Ihr könnt ganz schön stolz auf euch sein“, sagte Maria Süßenguth, Sozialarbeiterin in dem Projekt für Schulabbrecher, bei der Abschlussfeier Ende Juli. „Jeder einzelne von euch hat hier viel gelernt, nicht nur Mathe und Geografie.“
Damit dies gelingt, gibt es zwei wichtige Prinzipien: Das erste ist die Freiwilligkeit. Jeder, der an dem Projekt teilnehmen möchte, muss sich bewerben und in einem „Vorstellungsgespräch“ zeigen, dass er motiviert ist. Das zweite Prinzip: Niemand wird verbogen. „Wir sind zwar eine Gemeinschaft“, so Süßenguth. „Aber jeder findet das Ziel auf seinem eigenen Weg und in seinem eigenen Tempo.“
Gegründet wurde das Haus der Lebenschance im Jahr 2010. Seither haben 33 junge Menschen hier ihren Schulabschluss nachgeholt. Mit jedem Jahrgang ist die Zahl der Absolventen bisher gestiegen. „Das zeigt, dass das Konzept aufgeht“, sagt Stefan Rücker, der zuständige Bereichsleiter bei der eva. Zwei hauptamtliche Sozialpädagogen sind im Projekt beschäftigt, die die Jugendlichen unterstützen, motivieren und beraten. Daneben ist seit diesem Jahr auch eine Kollegin der Assistierten Ausbildung vor Ort, die das ganze Jahr über mit den Teilnehmenden das Thema Beruf und Ausbildung bearbeitet. Feste Ansprechpartner sind auch die ehrenamtlichen Paten, die den jungen Menschen mit Rat und Tat zur Seite stehen und ihre Erfahrung und ihr Know-How an sie weitergeben.
Seit zwei Jahren wird das Haus der Lebenschance durch den Europäischen Sozialfonds über das Baden-Württembergische Arbeitsministerium gefördert. Den Großteil der Kosten müssen die eva und der Johanniter-Orden jedoch nach wie vor durch Spenden finanzieren.
Dass es sich lohnt, die Einrichtung zu unterstützen, hat auch der diesjährige Jahrgang eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Drei Absolventen haben bereits einen Ausbildungsplatz in der Tasche. Drei weitere haben einen Job oder ein Berufsvorbereitungs-Angebot in Aussicht. „Ihr habt schon viel geschafft“, gab Rücker den jungen Frauen und Männern mit auf den Weg. „Und wenn die nächste Chance kommt, dann greift wieder zu!“