Zehn Menschen, die sich vorbildlich in die Gesellschaft einbringen, sind als „Stuttgarter des Jahres 2016“ ausgezeichnet worden. Dazu gehören auch zwei Ehrenamtliche der Evangelischen Gesellschaft (eva): Julia Schäuble, die sich im Gradmann Haus für demenzerkrankte ältere Menschen engagiert. Und Jutta Schüle, die als ehrenamtliche Helferin im Gemeindepsychiatrischen Zentrum Birkach einen inklusiven Tanztreff ins Leben gerufen hat. Am Abend des 21. März sind beide mit acht weiteren Preisträgern in den Wagenhallen geehrt worden. Der Preis wird seit 2014 von der Stuttgarter Zeitung und der Stuttgarter Versicherungsgruppe vergeben und ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert.
Seit 2012 kommt die 24-jährige Julia Schäuble regelmäßig ins Gradmann Haus der eva, dem Zentrum für Menschen mit Demenz in Stuttgart-Kaltental. Anfangs arbeitete die Studentin in den Semesterferien ehrenamtlich auf der Station mit, seit einem halben Jahr begleitet sie immer mittwochnachmittags Menschen mit Demenz in der Tagesbetreuung. „Ich gehe mit ihnen im Haus spazieren, wir machen Spiele in der Sitzgruppe oder ergänzen Sprichwörter.“ Schon als Jugendliche hat Schäuble viele Ehrenämter ausprobiert, u.a. in einer Kita und bei einer Hausaufgabenbetreuung mitgearbeitet. Die Arbeit mit Menschen mit Demenz macht ihr besondere Freude. „Je länger ich dabei bin, desto mehr sehe ich das Schöne“, sagt die angehende Deutsch- und Englisch-Lehrerin. „Diese Menschen verstellen sich nicht und zeigen ihre Gefühle ganz offen. Wenn sie sich freuen, wird man auch mal spontan umarmt.“ Besonderen Spaß hat Julia Schäuble an der Lesegruppe. Nach dem Kaffeetrinken liest sie den Älteren Märchen vor und singt mit ihnen Lieder. „Ich bin hier noch nie mit einem schlechten Gefühl rausgegangen“, so die 24-Jährige. „Hier lachen alle viel.“ Den Stress, den sie manchmal von der Uni mitbringt, lässt sie draußen. „Mein Handy packe ich komplett weg. Wenn ich hier bin, dann zählt das Hier und Jetzt.“
Als Julia Schäuble gehört hat, dass sie als Stuttgarterin des Jahres ausgezeichnet wird, ist sie „aus allen Wolken gefallen“. Vorgeschlagen hatte sie ihre beste Freundin, der die Idee dazu mit gutem Grund genau vor einem Jahr gekommen war. Denn bei der Preisverleihung 2015 saßen Julia Schäuble und ihre Freundin als Zuschauerinnen im Publikum. „Damals ist mein Vater für sein Engagement in der Bahnhofsmission zum Stuttgarter des Jahres ausgezeichnet worden“, erzählt Julia Schäuble. Jetzt setzt sie die Familientradition fort.
Tradition hat auch das Engagement von Jutta Schüle für die Inklusion psychisch erkrankter Menschen. Vor zehn Jahren hatte die heute 57-Jährige im Tagescafé des Gemeindepsychiatrischen Zentrums Birkach nachgefragt, ob man dort ihre Hilfe gebrauchen könnte. Konnte man! Anfangs hat sie Ausflüge mit und für die Gäste organisiert, um Menschen mit und ohne psychische Erkrankung zusammenzubringen. Dann kam ihr die Idee, die Barriere in den Köpfen einfach wegzutanzen. „Beim Tanzen spielt es keine Rolle, ob du gesund oder psychisch krank bist. Der Spaß an Musik und Bewegung steht im Mittelpunkt und man kommt ganz automatisch miteinander ins Gespräch“, sagt Jutta Schüle. Was vor vier Jahren als einmaliger Workshop geplant war, hat sich mittlerweile fest etabliert: Am zweiten Sonntag jeden Monats pilgern bis zu 100 Tanzbegeisterte mit Jutta Schüle ins Tanzcafé Melodie in Bad Cannstatt. Der inklusive Tanztreff „Zeit zum Tanzen“, der heute auf eigenen Beinen steht und mit dem Tagescafé des GpZ kooperiert, bedeutet für Jutta Schüle jede Menge Arbeit. „Aber wenn ich in die strahlenden Gesichter beim Tanzen sehe, dann weiß ich, dass es all die Mühe wert ist.“
Jutta Schüle freut sich sehr über die Auszeichnung zur Stuttgarterin des Jahres. „Es bestätigt mich, dass ich mit dem Tanztreff auf dem richtigen Weg bin, und motiviert mich weiterzumachen.“ Vorgeschlagen wurde sie von Sylvia Schweizer, die als hauptamtliche Sozialpädagogin im GpZ Birkach arbeitet.
In der „Stuttgarter des Jahres“-Jury saßen in diesem Jahr: Dr. Ulrike Groos, Leiterin des Kunstmuseums Stuttgart; Bernhard Schwarz, Marketing-Geschäftsführer von Dinkelacker-Schwaben Bräu; Renate Riek-Bauer, deutsche Volleyball-Rekordnationalspielerin; Gökay Sotuoglu, Co-Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde Deutschland; Joachim Dorfs, Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung und Frank Karsten, der Vorstandsvorsitzende der Stuttgarter Versicherungsgruppe. Für den Preis konnte man sich nicht selbst bewerben, sondern musste von sogenannten Paten vorgeschlagen werden.